(12) Warum die Sonne weiblich ist und der Mond männlich
In vielen Religionen gibt es männliche Sonnengötter, aber sie erscheinen tatsächlich ziemlich spät auf der Szene, als die Dominanz der männlichen Priesterschaften die älteren Priesterinnen der Sonnengöttin ersetzte. Sie versuchten, die Kraft des Weiblichen herabzusetzen, indem sie den Mond, das kleinere Licht, weiblich machten und die Kraft und das Licht der Sonne für sich selbst beanspruchten. In ähnlicher Weise verbinden die mit dem Sanskrit verwandten Sprachen (d.h. Latein, Griechisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch) das maskuline Geschlecht mit der Sonne und das feminine mit dem Mond; während in den älteren Sprachen der gleichen indo-europäischen Familie (d.h. Sanskrit, Deutsch und Altgotisch), ebenso wie in den sehr alten, vor-babylonischen, sumerischen Dialekten das Wort für Mond explizit männlich ist, ebenso im Arabischen. Auch dort ist das Wort für "Sonne" weiblich. Daher gibt es unter der Oberfläche der späteren, männlich-dominanten Kulte einen weltweiten Reichtum an Beweisen für eine viel ältere und mächtige Sonnengöttin, ebenso wie einen Mondgott.
Moderne Beobachtungen unterstützen den Sachverhalt, dass die Sonne weiblich und der Mond männlich ist. Unter dem Mikroskop sieht das nicht bewegliche Ovum (angetrieben durch die fallopische Röhren , aber nicht durch eigene Bewegung) wie eine Sonne aus, +mit Strahlen, die als lebendiges Protoplasma aus seiner kugelförmigen Oberfläche hervorbrechen. Das bewegliche Spermium treibt sich selbst in aufeinanderfolgenden halbmondartigen Wellen vorwärts. Unter dem Mikroskop bestätigt sich auch die alte Lehre des tantrischen Hinduismus: das Ovum erscheint mehr rötlich und das Spermium mehr weiß - dies sind auch die beiden Farben für die solare Kali und den lunaren Shiva und auch für ihr Paar von yogischen Bahnen, Pingala und Ida (verwandt mit dem griechischen Ide: reflektierter Schein, wie von einem Metallspiegel). Und es gibt in der Alchemie das Paar der roten und weißen Tinkturen in der zentralen Lehre der Transformation der Seele. Durch eine leichte Verwirrung wurde der Kanal auf der linken oder Herzseite (der golden-rote oder solare Kanal Pingala) in einigen Yoga Texten der Kanal oder Nagi auf der rechten Seite genannt, was bezug nimmt auf die rechte Hand des Betrachters eines yogischen Körperdiagramms (im Diagramm ist dies aber tatsächlich die linke Seite des Körpers).
Eine weitere Bekräftigung für die männliche Zuordnung des Mondes wird durch den Fruchtbarkeitszyklus des weiblichen Menschen gegeben. Dieser Zyklus wird durch den Mond gelenkt und die Ausrichtung der Befruchtung ist eine männliche Funktion. Diese unbestreitbare aber direkte Verwandtschaft der männlichen Lunarkraft mit dem weiblichen Menstruationszyklus führt oft zu dem verständlichen Irrtum, den Mond als weiblich anzunehmen. Dass dies ein Irrtum ist, zeigte sich in den Kulturen der Buriaten in der Westmongolei, ebenso wie bei den Grönländern, den Maori und den Nigerianern. Dort gab es den Glauben, dass der Mond Frauen schwängern konnte. Daher war es bei den grönländischen Frauen üblich, nicht im Freien unter Mondlicht zu schlafen, bevor sie nicht ihre Bäuche mit Speichel abgerieben hatten. Damit sollte die Schwellung des Bauches, d.h. eine Befruchtung durch den Mond, verhindert werden. Und die Maori glaubten, dass der Mond der wahre Ehemann aller Frauen war, viel wichtiger als der sterbliche Gemahl.
Kurz gesagt, der Mond ist die initiierende oder befruchtenden Kraft der Zeugung; und das führt uns direkt zu den Gezeiten der monatlichen oder menstrualen Zyklen der Frauen (das lateinische mens bedeutet "Monat"), denn der Mond bestimmt die Spitzen der Empfangsbereitschaft: die Wellenberge erhöhen die Wahrscheinlichkeit für die Empfangsbereitschaft, die Wellentäler ergeben die Zeiten mit der geringsten Wahrscheinlichkeit für eine Zeugung. Daher kreist die lunare Kraft der Zeugung um das solare Ei. Diese alten Wahrheiten erreichen im europäischen Zeitalter der Ritterlichkeit ihre höchste Wertschätzung. Damals drehten sich die ganzen abenteuerlichen Reisen eines Ritters um die Treue zu seiner Dame. Einige der heiligen Dinge, die sich immer wieder im Kontext der Sonnengöttin finden, sind die heiligen Höhlen, in denen sich die Sonne versteckt und sich verjüngt, was oft durch eine göttliche Spiegelkraft geschieht. Ein weit verbreitete Tradition sagt auch, dass die Sonne ein wundersames leuchtendes Auge ist und dass viele Leute mit schlechtem Augenlicht geheilt werden können, durch die Heilkraft gewisser Solarbrunnen.
Wir wenden uns wieder dem Spiegel zu. Diese rituellen Objekte sind - manchmal in der Form einer mit Wasser gefüllten Schale - an alten Orten der Sonnengöttin gefunden worden, in Britannien und Irland, Ägypten, Korea und Sibirien. Sie waren mit schamanischer oder theurgischer Religion assoziiert und daher auch mit den heilenden Künsten. Warum war das so?
Ein Hinweis findet sich in der Legende vom Amaterasu, die Sonnengöttin des Shinto, die älteste Religion in Japan. Über die Attacken und Beleidigungen Ihres bösen Bruders Susano-o erzürnt, zog sie sich in eine Höhle zurück und nahm die Quelle des Lichts für die ganze Welt mit sich. Darauf verwandelt sich die Welt in einen Platz der Dunkelheit. Die Göttin der Schmiede und Schamanin Ishikoredome fabrizierte dann einen Spiegel, der die strahlende Schönheit von Amaterasu erfassen konnte. Dieser magische Spiegel, der ihre Glorie, reflektierte, ermunterte Amaterasu, aus ihrer Höhle hervorzukommen und so wurde die Welt wieder in Ordnung gebracht. In der Legende wird als angeblicher Grund für das Hervorkommen der Sonnengöttin mitgeteilt, dass Sie von ihrem wunderschönen Bild im Spiegel angezogen wurde, was trivial erscheint. Die schamanische Realität liegt tiefer. Jede schamanische Reise, die über unsere Welt hinaus führt, hängt von den Kräften der inneren Sonne und des Mondes im Schamanen ab (die zwei kaduzealen Stränge des Selbst), die zusammengebracht werden und die Basis für einen höheren, nicht-molekularen Körper bilden. Auf diese Weise ist der magische Spiegel ganz klar ein Ritual und eine symbolische Repräsentation des Vollmondes. Dann wird der Mond von der Strahlkraft der Sonne voll erleuchtet und beide vereinigen sich harmonisch in einer göttlichen Hochzeit, Hieros Gamos. Wenn der Spiegel von Amaterasu , Symbol des lunaren Selbst-Strangs, mit dem solaren (weiblichen) Strang vereinigt wird, dann kommt Sie aus der Höhle der Dunkelheit hervor und heilt die Welt. In ähnlicher Weise bleibt das höhere oder solare Selbst für uns im molekularen Zustand verborgen, bis wir, indem wir dem schamanischen Pfad folgen, die Sonne und den Mond in uns selbst zurück in Partnerschaft und Harmonie bringen können. Dadurch kann sich das Licht der höheren Sonne oder des höheren Selbst ausschütten und all unsere Aktionen und unser Leben erleuchten, auch wenn wir noch in einem molekularen Körper verweilen.
Es gibt noch mehr hier zu sagen. Es ist die Funktion des lunaren Selbst ist, den solaren Strang zu suchen und sich wieder mit ihm zu vereinigen, auch wenn der andere Strang in einer höheren Dimension ist und nicht der Sterblichkeit unterliegt. Daher benötigt der männliche oder lunare Strang die Fähigkeit, sich interdimensional zu bewegen. Nur so wird er in die Lage versetzt, sich zur vibrierenden Einheit des nun neu zusammengesetzten höheren Selbst zu verbinden. Einige Jahre zuvor erhielt ich ein Gedicht, das ich nicht vollständig verstand, aber das jetzt Bedeutung gewonnen hat. Ich habe es "The Song of One to One" genannt. Es ist der Hochzeitsgesang der zwei miteinander verwobenen Stränge des Selbst:
Du bist in meiner Wurzel
Ich bin in Deiner Wurzel
Du bist in meiner Blüte
Ich bin in Deiner Blüte
Das Du, das in Mir ist
Das Ich, das in Dir ist
Das Du,
Das Ich,
ist das heilige Eine
unser immer lebendiges Herz
das gab und gibt
und uns immer Leben gibst :
Denn das Du, das in Mir ist
Ist das Ich, das in Dir ist -
Zwillingsblumen, jede Wurzel der anderen
Dieses Wir ist Gottheit in Uns ...
Wir wollen uns nun mit der interdimensionalen Verbindung der beiden Stränge befassen und in diesem Zusammenhang auf weiterführende, mehr technische Aspekte eingehen. Wir haben an anderer Stelle ausgeführt, dass die Reflexion in einem Spiegel nicht einfach eine Drehung um 180° im dreidimensionalen Raum darstellt, sondern sie ist tatsächlich eine Drehung im vier-dimensionalen Raum, die zurück in unseren 3D-Raum führt - ein Tatsache, die auch in einigen mathematischen Abhandlung nicht beachtet worden ist, weil einfach nur das Endresultat in unserem dreidimensionalen Raum betrachtet wurde, das reflektierte Bild, das wir sehen. Daher wurde der subtile interdimensionale Prozess übersehen, der ursächlich mit diesem Bild zusammenhängt. In dieser erweiterten Sichtweise ist die Kraft der Reflexion auch mit einer interdimensionalen Übertragung und Reise verbunden.
Wie schon erwähnt wurde die Sonne als ein wunderbares Auge gefühlt. In der astralen Überlieferung ist das rechte Auge mit der Sonne und das linke mit dem Mond verbunden. An diesem Punkt wird man unwillkürlich an die Hauptinhalte der heiligen Lehre im alten Ägypten erinnert: das verwundete oder linke Auge des Horus muss geheilt und wiederhergestellt werden, so dass das Ei des höheren Körpers funktionieren und sich ausbrüten kann. Man beachte, dass sich die Nervenbahnen kreuzen, wenn sie die zervikale Region passieren. Daher korrespondiert die linke oder Herzseite des Körpers mit dem rechtem oder solaren Auge des Horus und der rechten Gehirnhälfte. Daher gehen die linke Hand und das rechte Auge zusammen, ebenso wie die rechte Hand und das linke oder lunare Auge.
All dies deutet darauf hin, dass die alten Schalen, die man mit den Orten der Sonnengöttin (z.B. Newgrange bei Loughcrew, Irland) in Verbindung bringt, mit Wasser gefüllt wurden. Sie stellten ein Symbol für die Kraft des Mondes dar, die solare Leuchtkraft zu reflektieren. Jedoch waren die lunaren Spiegel nicht nur Reflektoren, denn sie konnten die Strahlen der solaren Quelle dirigieren und in einen Brennpunkt bringen. Die Kraft zur Neuausrichtung und Fokussierung sind männliche Funktionen. Dadurch wird auch erklärt, warum die Sonne in den meisten alten Traditionen weiblich und der Mond männlich war.
Als letztes Beispiel der Sonne/Mond Beziehungen wollen wir die wahrscheinlich älteste schamanische Zeremonie der Na-Khi-Menschen in Westchina erwähnen. Die Na-Khi-Menschen sprechen eine tibeto-burmesische Sprache und ihre Kultur wurde allein durch die Bemühungen eines Mannes vor der Vergessenheit gerettet. Es handelt sich um den außergewöhnlichen Ethnographen, Linguisten, Erforscher und Botaniker Joseph F. Rock. Ich traf ihn bevor er auf Hawaii verstarb und erhielt von ihm mehrere wertvolle Texte, ein noch viel wertvolleres Manuskript und schließlich die Präsentation der unschätzbaren Robe des letzten Tulku oder lebendigen Buddhas der Choni. Die Kultur der Choni wurde durch die völkermordenden Armeen von Mao in den 40ziger und 50ziger Jahren zerstört, wie fast alles in der Nähe zu Tibet. Diese Robe wurde daher weiter vererbt in dem, was "die flüsternde Nachfolge" genannt wird. Dabei werden heilige Dinge und Wissen auf scheinbar seltsamen Wegen und durch ein innewohnendes und unvermeidliches Schicksalsmuster weitergegeben. Das spirituelle Licht der Choni ist noch da und lebendig, denn die höchste Robe der spirituellen Kraft dieser Menschen wird noch getragen, vom Autor selbst, mit wirksamer Kraft und sie ist im Westen lebendig.
Eine der ältesten Na-khi Zeremonien, die durch die schamanischen Priester oder Dto-Mba ausgeführt werden, ist das Muna Bpo. Unter diesen zeremonialen Texten findet sich das Buch Dzu Wua Bpo. Dort im Ritual des Wua-Bpa Ts'u wird die alte Kosmogonie der Na-khi wiedergegeben. Zwei Zeilen sind von besonderem Interesse. Sie bringen diesen Teil unsere Erforschung zu einem passenden Abschluss, mit einer uralten Bestätigung. Nachdem die Geburt der Sterne besungen wurde, fährt der alte Gesang fort und erzählt uns, als Bestätigung der sehr alten Lehre, dass die Sonne zum Herz gehört - oder zur weiblichen Seite des Körpers; und der Mond zur rechten, männlichen und physisch stärkeren Seite:
"Als die Sonne auf der linken Seite hervorkam, war es heiß; Auf der rechten Seite, als der Mond sich erhob, war es hell;
Die Tuva-Schamanen stimmen damit überein. Dies wird durch die zwei Auszüge aus der reichhaltigen Manuskriptsammlung des Mongus Kenin-Lopsan bezeugt. Er war der schamanische Gelehrte des Tuva-Volks, der den Schamanismus dort ganz allein wiederbelebte, nachdem dieser in der stalinistische Ära fast bis zum Tod verfolgt worden war. Diese Texte wurden 1990 von Kertel Okaan und Mongush Senden erzählt und durch Keni-Lopsan aufgezeichnet.
Mein Mutter die Sonne: diese Geschichte ist aus alten Zeiten. Die Sonne ist meine Mutter, sagt man ... Wenn es keine Sonne gibt, dann gibt es nichts auf der Erde [und] wenn es keine Mutter gibt, dann gibt es keine Kinder ... Da die Sonne und die Mutter gleichen Pflichten haben, begannen sie die Sonne "Meine Mutter" zu rufen.
Vater Mond. Es gibt Gründe, warum das Tuva-Volk der alten Zeiten den Brauch hatte, den Mond Vater zu rufen. Die Sonne wird Mutter gerufen, weil die Sonne im Osten aufgeht, wenn die Morgendämmerung aufhört und in gleicher Weise ist eine Tuva-Mutter immer die Herrin ihrer Jurte, denn sie sorgt für ihre Kinder. Der Mond wird Vater gerufen, weil ein Vater immer weg von zu Hause ist und nicht lange in der Jurte bleibt. Ähnlich wie der Mond, der nicht jeden Tag am Himmel erscheint: er kommt hervor und verschwindet.
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