(13) Der universale Lebensbaum und die schamanische Reise
Eine schamanischen Kosmologie, die äußerst eindrucksvoll ist, findet sich bei den Selkup oder Waldmenschen in Sibirien, etwas nördlich von Tomsk. Es geht um ihr ursprüngliches Konzept vom Großen Baum des Lebens, der auf dem Titelblatt dieses Buches abgebildet ist. Seine lunare Wurzel und sein lunarer Zweig befinden sich auf der linken Seite, wenn man den Baum anschaut und auf der rechten Seite, wenn man in ihm ist: diese Seite wird von einem Halbkreis regiert, der die lunare Sichel darstellt. Der solare Zweig oder die solare Wurzel (auf der Herz- oder linken Seite des Baums, wenn man in sein Leben eingetaucht ist) wird durch den vollen Kreis regiert, der die solare Sonnenscheibe symbolisiert. Die aufgeteilten Lebenskräfte des Baums der beiden Seiten vereinigen sich im zentralen Stamm, in einem Punkt der höchsten Spitze. Diese zentrale Vereinigung drückt die Natur des dynamischen vollständigen Selbst aus. Man beachte auch Abschnitt 26.
Aber der Baum ist auch das ganze Lebensschema, das durch alle Wesen hindurchläuft und sie alle verbindet und es gibt nichts, das nicht auf irgend einer Stufe lebendig ist. Der Schamane/die Schamanin können daher auf den Lebensströmungen des Baums reiten, um das Zentrum jeder Kreatur zu erreichen. Die Lebensströme des Großen Baums sind wie ein magisches Ross, auf dem der Schamane/die Schamanin durch den sichtbaren und unsichtbaren Kosmos getragen wird.
Wir wollen für einen Moment Abstand nehmen, um diese Ideen mit den alten nordischen Lehren vom kosmischen Eschenbaums Yggdrasil zu vergleichen, der so tiefe Verbindungen mit Odin hat, der nordischen Schamanengottheit par excellence. Er hat drei große Wurzeln. Die erste reicht hinunter in das Reich der von der Erde gegangenen Seelen, nach Niflheim, der "verhüllte Ort" (siehe auch unter Bardo oder Duat im Glossar, Abschnitt 25). Dies ist die lunare Wurzel, auf Ihrer linken Seite, wenn sie das Selkupzeichnung auf dem Deckblatt anschauen, aber auf Ihrer rechten Seite, wenn Sie mit dem Baum eins werden und ihn betreten.
Die zweite oder zentrale Wurzel dehnt sich zu den drei Nornen-Schwestern: Urd (Notwendigkeit, Vergangenheit); Verdandi (das Wort werden ist hier beteiligt, d.h. Gegenwart) und Skuld (Schicksal, Zukunft).
Die dritte, die solare Wurzel, ist auf der rechten Seite, wenn man das Bild anschaut, aber auf der linken Seite, wenn man in den Baum hineingeht. Die Wurzel reicht tief in den Brunnen von Mimir, der alles umfassende Erinnerungen und Weisheit spendet. Um von diesem unvergesslichen Wasser zu trinken, hat sich Odin neun Nächte an den Baum gehängt: "Eine Gabe für Odin, von mir an mein Selbst", sang er. Hier ist Odin (im Russischen bedeutet sein Name der Erste, die Nummer 1) der ursprüngliche Schamane. Daher kann man sich erinnern, was man war (und wirklich ist), dadurch kann man in der Gegenwart anders handeln und so die noch formbare Zukunft ändern und neu gestalten. Das ist es, was Odin uns lehrt.
Jede schamanische Erfahrung bedeutet ein Eintreten in den Baum. Dadurch kann jede gewünschte Wesenheit in der gesamten Lebenswelle erreicht werden, ob gegenwärtig in einer molekularen Existenz oder nicht. Dies bedeutet "das Reiten" des Baums, und Odin hat es auf seinem achtbeinigen, magischen Pferd gemacht. Tatsächlich heißt der Baum in der gleichen Version dieses universalen schamanischen Mythos Yggdrasil, was buchstäblich "Odin's Pferd" ist; und der Name des Pferdes ist Sleipnir ("das Rutschende"), im heutigen Norwegischen bezeichnet sleip "schlüpfrig sein", das Wort für den glitschige Flüssigkeitsfilm auf Fischen. Sleipnir ist der Lebenssaft, der durch den Baum allen Lebens kreist. Die acht Beine, Kopf und Schwanz stellen ein Paradigma dar, das dem ganzen Baum Ausdruck verleiht. Der Baum hat an einem Ende den Kopf (Krone) und die Zweige (Vorderbeine), und es gibt ein Wurzelsystem am anderen Ende, das sich in gleicher Weise verzweigt, der windbewegte Schwanz und die Hinterbeine. Der Wind bedeutet hier die lebendige Kraft im Atem des gesamten Lebens.
Der/Die initiierte Schamane/Schamanin muss lernen, wie man diese wunderbare Pferd reitet (das später in einer verfälschten Form als Besenstiel der Hexen des Mittelalters erschien, wobei der Besen den Schwanz darstellt), auf dem sie/er durch den Himmel reitet, auf Odin's Wilder Jagd. Mit dem Pferd/ durch den Baum steigt man zuerst zu den Wurzeln. Von dort führen besondere Wege, Myriaden an der Zahl, bis in die winzigsten Zweige und Blätter. Der Weg des Schamanen/der Schamanin führt aufwärts bis an den Ort des Baumes, wo das Lebewesen befestigt ist, das Hilfe nötig hat. Nachdem die theurgische Arbeit vollendet ist, kehrt man dorthin zurück - wiederum durch den Baum - wo der Anfangspunkt der Reise war, der nun zum Endpunkt wird, was den Kreis auf diese Weise vervollständigt.
Der Weg, auf dem man den Baum betritt und reitet, lässt sich nicht im dreidimensionalen Raum finden, aber er liegt in einer höher-dimensionalen Richtung, wie wir in der kleinen Anekdote von Teil I anmerkten. Man stelle sich zwei-dimensionale Wesen vor: sie können sich nur in zwei Richtungen bewegen. Zum Beispiel können auf der Oberfläche eines Blatts Papier durch jeden Punkt dieser Fläche zwei senkrecht zueinander stehende Linien gezogen werden. Stellen wir uns weiter vor, das dieses zweidimensionale Wesen (wie oben erwähnt, eine Sie) auf dem Blatt durch eine kreisförmigen Mauer eingeschlossen ist. Nun wollen wir sie emporheben und außerhalb der Mauer wieder zurück auf die Oberfläche setzen. Sie könnte dann fragen: Wie hast du diesen Transport durchgeführt? Denn du hast mich nicht durch die Mauer gebracht und daher hast du mich nicht in irgend eine der unendlich vielen Richtungen bewegt, die von mir zur umgebenden, kreisförmigen Mauer verlaufen!
Deine Antwort würde ganz einfach sein, obwohl für sie fast unverständlich, wenn du sagst: " Nein, du hast das teilweise erfasst. Ich habe nicht irgend einen Pfad aus der Unendlichkeit gewählt, die du genannt hast, denn durch die Kollision mit der Innenseite der Mauer wärest du verletzt worden, was passieren muss, wenn du versuchst, nach Außen zu kommen, dorthin, wo du jetzt bist. Daher ist alles, was ich getan habe, dich in Richtung einer höheren Dimension (d.h. im dreidimensionalen Raum, der für sie höher sein würde) zu bewegen, die senkrecht zu all diesen zahllosen Richtungen steht. Keine von deinen Richtungen wurde benutzt, da ein extra-dimensionaler Sprung aus deiner Welt heraus und wieder zurück gemacht wurde. Unsere 2D-Dame würde das verstehen, denn sie ist in ihrer Welt eine ausgebildete Mathematikerin und es wäre für sie beweisbar - und doch wäre sie nicht im Geringsten in der Lage, sich dies vorzustellen oder zu visualisieren.
So ist es mit unserer Welt und das Hineinkommen in den Baum geschieht auf einem Pfad, der nicht zur Unendlichkeit der Richtungen gehört, die in unserem dreidimensionalen Raum möglich sind. Das Reisen über solche Entfernungen ist perfekt möglich und wenn du nach einer solchen Entfernung wieder zurück in deinen molekularen Körper fällst, wirst du eine Schock fühlen, der dem eines Falles in unserem Raum hier ähnlich ist. Es gibt Wege, wie man lernen kann, dein Bewusstsein ruhig zu stellen, das kreisende Rad von Gedanken, Assoziationen, Erinnerungen und sinnlichen Eindrücken - bei dieser Fähigkeit geht es um das Wissen, wie man meditiert , obwohl kein Wort ausreicht, das zu beschreiben, was wirklich passiert (siehe Abschnitt 26, dort finden sich weitere Einzelheiten). Diejenigen von Euch, die sie ausprobiert haben, werden wissen, dass die Löwenpfadkassetten ein leichter Weg sind, die Fähigkeit zu erwerben , um dies zu tun. Nehmen wir einmal an, dass du plötzlich aus deinem veränderten und ruhig gestellten Zustand herausgeschüttelt wirst und zurück in den molekularen Körper "fällst". Dann wirst du auch erkennen, dass dies der Erfahrung eines kurzen, heftigen Falls in unseres dreidimensionalen Welt ähnlich ist.
Es gibt auch einen experimentellen Weg wie man herausfinden kann, was wir in einem gewissen Sinn tatsächlich bewegen, wenn wir in den Baum eintreten, dort reisen und von der schamanischen Arbeit zurückkehren. Es gibt natürlich keine Notwendigkeit, dies alles zu visualisieren. Die Metapher wird sich selbst in ihre eigene Realität übersetzen. Ein leichte Zeit, um sich auf solche Reisen vorzubereiten, ist jeder Mittwoch nach dem 4.August 1999, oder an einem der Zeitpunkte für die "Übernahme durch Handkontrolle" die schon gegeben wurden. Schamanisches Reisen wird so oft als Fliegen gefühlt, so dass sein erstes Symbol ein starker Vogel ist, wie der Adler im Fall der Selkup und der Falke bei den schamanischen Priestern/Priesterinnen im alten Ägypten. Hier erfahren wir etwas über Ursprung von Kreaturen wie den Pegasus, das geflügelte Pferd, oder dem magische Kranich, auf dem man in den taoistischen Erzählungen durch die Winde im Flug fortgetragen wird, oder auch den mächtigen Simurgh in der Überlieferung der Magi, den Schamanen des alten Iran - und wir erinnern uns an die fliegenden Drachen ("Loong") im alten China.
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